Ich bin volljährig, ich schwör’s!
Liebe Ehemänner und -frauen da draußen! Die Geschichten aus der Reihe “Das (Ehe)Leben ist kein Ponyschlecken” sind eine Liebeserklärung an Euch und Eure skurrilen Marotten. Denn es sind die Brüche in Euren Persönlichkeiten, Eure unvorhersehbaren Handlungen und oft auch unverständlichen Worte, die unserem Alltags(Ehe)grau Farbe verleihen. Wir lieben Euch trotzdem oder vielleicht sogar deshalb. Und umgekehrt - hoffen wir - ist es genauso.
Prolog:
Lotti will Bier. Und scheitert am Jugendschutzgesetz.
Das Alter ist gnadenlos. Es frisst sich unbarmherzig von außen nach innen hinein in den Körper: Zunächst verändert es die Oberflächenstruktur und -spannung des Leibes und lähmt anschließend die Region des Gehirns, die für technische Neuerungen zuständig ist. Blöd, wenn der Körper in entgegengesetzter Richtung, also von innen nach außen, ganz auf Jugend eingestellt ist: Mit dem Augenaufschlag, dem glockenhellen Lachen und der Region im Gehirn, die für Illusionen zuständig ist, kann mann/frau sich weiterhin wie ein Teenager fühlen. Wie eine Express-Kassa beim Spar Lotti zunächst recht alt aussehen ließ, bevor sie sich schließlich als Jungbrunnen entpuppte (ja, die Kassa und die Lotti sind gemeint :-)), lest Ihr in der neuen Alltagsperlen-Geschichte “Ich bin volljährig, ich schwör’s!”:
Ich bin volljährig, ich schwör’s!
Lesezeit: 2 Minuten
Der Spar meines Vertrauens wurde umgebaut. Rundum erneuert strahlt er nun an der Ortseinfahrt. Warum mich der frisch designte Lebensmitteltempel nicht SOFORT zu Begeisterungsstürmen hinriss, ist leicht erklärt: Im VORFELD der Eröffnung fühlte ich mich persönlich schikaniert, da ich, bar einer LenkerInnenberechtigung, monatelang auf den kleinen Pimperl-Billa in der Ortsmitte angewiesen war, der unerhörterweise jüngst das laktosefreie Fruchtjoghurt ausgelistet hatte. NACH der Eröffnung wiederum machte mir die POS-Technik das Leben schwer.
Generell verhalte ich mich bei Supermärkten - wie im richtigen Leben - streng monogam, Fremdshoppen liegt mir nicht. Dieses ewige Gesuche nach der Milch, den griechischen Oliven und der Chilisauce rauben mir meine kostbare Lebenszeit (wie Sie das jetzt aufs Fremdflirten transponieren, überlasse ich Ihrer Fantasie). Ich erwäge ein Gesetz, das das einheitliche Einschlichten von Lebensmitteln in allen Supermärkten zwingend vorschreibt. Österreichweit, selbstverständlich, es könnte ja sein, dass ich mal in Vorarlberg bin.
Zum Tag der Eröffnung des neuen Spar ging ich mit gemischten Gefühlen. Das erste Problem zeigte sich gleich beim Eingang oder dort, wo sich einst der Eingang befunden hatte, denn nun war da eine sauber geputzte Glaswand. Die ich im nervösen Laufschritt natürlich übersah. Ich hatte eine Stunde Einkaufszeit im Gepäck und schöpfte sie tatsächlich aus, was dem unbekannten Terrain geschuldet war. Und den aufgestellten „Express-Kassen“, wo der/die KundIn SELBST Hand anlegen kann. Wenn er/sie kann!
Ein weltweites Phänomen, das mich ob seiner Funktionslosigkeit jedes Mal erheitert, ähnlich dem Abreißpapier mit Sensor am Damenklo. Den Flughafen Schiphol in Amsterdam verstellen zum Beispiel riesige Röhren, in die man SELBST seine Koffer einchecken kann. Auch hier: Wenn man kann. Denn es ist ein gewisses Maß an Fremdsprachenkenntnissen und beträchtliches technisches Verständnis erforderlich, um die Piktogramme zu deuten und die Maschinen zu bedienen. DESHALB hat man wiederum einige arme Seelen abgestellt, die nun hilfreich zur Hand gehen und/oder darauf hinweisen, dass das Gerät leider kaputt sei. Read my lips: NIE nicht hat ein Kunde an einem derartigen Gerät Zeit gespart!
So wie ich nicht bei meinem neuen Spar. Ich betrete also die EXPRESSzone und will die Milch (die ich Schnäppchenjägerin um minus 50%! entdeckt habe) einscannen. Der Scanner erkennt das Rabattpickerl nicht, ich hingegen sofort den Hilfe-Knopf. Ich drücke. Und drücke. Nochmal. Der Terminal leuchtet rot. Und blinkt. Ängstlichere und wie ich jetzt feststelle KLÜGERE TempelbesucherInnen überholen mich an der “normalen” Kassa. Hilfe naht in Form eines gestressten Mitarbeiters, den ich von der Leiter hole. Und nein, ich habe mich nicht blöd angestellt, die Milch kann tatsächlich nur er einscannen. Mit einem Geheimcode. So stehen wir nun also zu zweit am Express-Terminal, während ich, die ich wieder mal die Einkaufstasche vergessen habe, versuche, Joghurts, Oliven, Chilisauce und dergleichen mehr zu einem atemberaubenden Turm auf 20x20 cm Ablagefläche zu stapeln.
Der Mitarbeiter entfernt sich, erklimmt erneut seine Leiter nur, um Sekunden später wieder einzugreifen. Ich hatte ein 12-er-Tragerl Bier hinauf gewuchtet, doch das System erlaubt mir keinen Scan. Mein fragender Blick wird mit einem trockenen: „Jugendschutzgesetz. Sie müssen mir beweisen, dass Sie 18 sind“ quittiert.
Mein Blick erhellt sich. Endlich habe ich den Sinn der Express-Kassen verstanden! Es ist eine subtile und dabei sehr charmante Art der Kundenbindung mit BesucherInnen jenseits der 40! Ach, wie herrlich! Ich fühle mich zurückversetzt in die Zeit meiner Schwangerschaft, als ein lieber Freund, meiner dicken Kugel ansichtig, formulierte: „Lotti, wir sollten dich in der Sendung Teenagerschwangerschaften anmelden.“ Ich war 38. Und mein Mann ob meiner Freude über dieses Kompliment bestürzt. Dass ein so blöder Schmäh tatsächlich meine Welt erhellte, konnte er nicht begreifen. Auch nicht, dass ich ihn bis zum heutigen Tag in meinem Herzen trage.
Und jetzt das: Dass man vorgibt, mir meine Volljährigkeit statt aus dem Antlitz aus dem Ausweis ablesen zu wollen, erhellt mir den Tag. Den Ausdruck des Mitleids im Gesicht meines Gegenübers muss ich noch verdrängen, aber … jetzt bin ich ein Fan. Von der Express-Kassa. Und dem neuen Spar.
Ihr habt auch so einen Berti/Lotti/Leo zu Hause? Oder seid es selbst? Erzählt mir Eure Geschichte, gerne schreibe ich sie auf und veröffentliche Eure skurrile Liebeserklärung hier in FROHLOTTE’s Alltagsperlen!
karin.holzer@sternschanze.at