Mein großer grüner Kaktus
Liebe Ehemänner und -frauen da draußen! Die Geschichten aus der Reihe “Das (Ehe)Leben ist kein Ponyschlecken” sind eine Liebeserklärung an Euch und Eure skurrilen Marotten. Denn es sind die Brüche in Euren Persönlichkeiten, Eure unvorhersehbaren Handlungen und oft auch unverständlichen Worte, die unserem Alltags(Ehe)grau Farbe verleihen. Wir lieben Euch trotzdem oder vielleicht sogar deshalb. Und umgekehrt - hoffen wir - ist es genauso.
Prolog:
Unser Skiurlaub ist im wahrsten Sinne des Wortes Schnee von gestern. Und weil ich nicht in das allgemeine Ost-West-Ungerechtigkeitslamento einstimmen mag, wechsle ich gleich ganz Himmelsrichtung und Jahreszeit und schicke eine Ansichtskarte aus dem Süden. Ganz retro, so, wie man das anno 1998 eben gemacht hat: Was Eva der Apfel, war Berti die Frucht der Sukkulente. Beiden kam die Erkenntnis zu spät.
Mein großer, grüner Kaktus
Lesezeit: 2,5 Minuten
In letzter Zeit ist es recht still geworden im Hause Holzer, alles und jeder geht im jeweiligen Zimmer seiner Wege und ich starre sehnsuchtsvoll Richtung Frühling in die blassgelbe Wintersunn’. Durch das Starren erhoffe ich mir Inspiration und Anleitung sowie Beweglichkeit in Geist und Gelenken, die mich in Windeseile aus dem Winterschlaf holen und schnurstracks zurück auf die Straße des Erfolgs bringen möge.
Nichts passiert. Gestern nicht und vorgestern auch nicht, also dann heute. Ich schließe die Augen, recke den Hals ein wenig, sodass die paar Sonnenstrahlen auch wissen, wo sie hinmüssen, und dann ist sie wieder da, die Szene anno 1998.
Griechenland, Kreta. Eine Taverne am kleinen Hafen. Morgen.
Ein junger, blasser Mann skandinavischen Typs und eine dunkelhaarige, mediterrane Schönheit haben nach dem Genuss eines öltriefenden Riesenomelettes - mit einem Kilo Schafskäse drin und nochmal so viel Zwiebeln und Paradeisern oben drauf - Langeweile. Während sich in ihren Mägen der Schafskäse soeben mit dem Caffé Latte vermengt und das Öl dabei ausflockt, schauen die beiden träge unter dem Schilfrohrdach hinaus aufs Meer. Schwimmen wäre jetzt eine Option, aber wegen des Hängebauchs möglicherweise nicht ungefährlich. Und erbärmlich, als gestrandeter Wal gerettet zu werden …
Der Blick wandert vom Meer nach links, dorthin, wo das Dorf aus ist und die Pampa beginnt. Die Bucht ist groß und hast Du schon gesehen, dass eine unbefestigte Straße zum letzten Zipfel der Bucht führt? Was da wohl sein mag …?
Sesselrücken. Umständliches Umdrehen. Schauen. Langes Schauen. Und nun die Frage, die alles, was danach kommen sollte, schon in sich trägt: „Glaubst, kann man da zu Fuß nach Sougia gehen?“ (Anmerkung: Und dabei Drachmen für die Fähre sparen, wenn man in die marihuanageschwängerten Höhlen des Nachbarortes will?)
Szenenwechsel. Landstraße. Staub. Zwei Gestalten in Turnschuhen. Eine Wasserflasche. Mittag.
Eine der tollsten Ideen dieses Tages war ja, die unergründlichen Weiten der südkretischen Pampa just um zwölf Uhr Mittag erforschen zu wollen, dann, wenn die Sonne am höchsten, der Fels am heißesten und der Sand am brennendsten ist. Wir waren extrem motiviert. Der Forschergeist hatte uns gepackt, Magellan, Kolumbus, Amundsen und wie sie alle hießen, wir konnten sie verstehen. Mit nichts im Gepäck außer der Vorfreude auf das Abenteuer, das hinter der nächsten Biegung auf uns warten sollte, waren wir nicht nur unbelastet, sondern auch bald schon entkräftet. Als dann auch noch der tägliche Sturm über uns hereinbrach (verlässlich begann es täglich zwischen 12 und 13 Uhr zu winden, aber das hatten wir in unserer Vorbereitung außer Acht gelassen) und der letzten Kurve die nächste folgte, verließ mich ein wenig die Kraft, was vielleicht auch damit zusammenhing, dass die 1,5 Liter-Leichtflasche Wasser seit einer Stunde aufgebraucht war. „Du hast so rote Flecken im Gesicht“, besorgte sich mein Noch-nicht-Mann und riet zur Umkehr. Wir hatten übrigens nach der letzten Kurve eine Sackgasse gefunden. Irgendjemand hatte sein ambitioniertes Straßenbauprojekt einfach aufgegeben. Vielleicht war er ja auch ungünstig zu Mittag aufgebrochen …
Nun befiel mich, ich gebe es zu, ein wenig Panik, denn die Szenerie um uns herum war öde und menschenleer. Der Sturm riss an unseren Kleidern, die Kehlen waren ausgedörrt, die Augen vom Sand verklebt. Was hatte ich noch für große Pläne in meinem Leben, und die sollten nun mit mir von der Klippe geweht werden? Wir schleppten uns also zurück und kamen zwei Stunden später endlich an einem Haus an. Und: Mein Gott hat Humor - es war eine Taverne. Dort bekam man das Bier im Krügerl und weil der Durst groß und die Kehlen trocken waren, füllte sich alsbald der Tisch mit Leergut. Wohlgelaunt und weil durch den Sturm mittlerweile die Glasscheibe der Taverne geborsten war, entschlossen wir uns, dazubleiben und Postkarten von unserem Abenteuer zu schreiben. Die Zeit schritt munter voran. Als sich nun schon das Abendrot ankündigte, wankten wir zurück in den Ort, dessen Zufahrtsstraße von riesigen Ohrwaschelkakteen gesäumt war. „Jö schau, sooo viele Ohrwascheln!“, begeisterte ich mich und mein Berti ging unerschrocken sofort darauf zu, um mir eine Frucht des stacheligen Gesellen zu überreichen. Nachdem ich noch einigermaßen bei Sinnen war, wollte ich ihm Einhalt gebieten und flehte ihn an, nicht vom Baum seiner Erkenntnis zu pflücken, doch vergebens.
Sehr großer Ohrwaschelkaktus. Junger blonder Mann davor. In seiner Hand die Frucht der Sukkulente. Ungläubiges Starren auf dieselbe. Der Blick gleitet in Zeitlupe zur mediterranen Frau. Er streckt ihr die Hand hin. Seine Stirn legt sich in Ziehharmonikafalten, sein Mund formt in Zeitlupe ein „AUUUUAAA!“ Die Hand verwandelt sich in ein stacheliges Ohrwaschel. Sie lacht. Dass sie ihn gewarnt hat, sagt sie jetzt besser nicht. In den folgenden Tagen lernt er die Welt des Urinierens aus einer neuen Perspektive kennen: Das macht er ab sofort mit links.
Ihr habt auch so einen Berti/Lotti/Leo zu Hause? Oder seid es selbst? Schreibt mir, gerne veröffentliche ich Eure skurrile Liebeserklärung hier in FROHLOTTE’s Alltagsperlen!
karin.holzer@sternschanze.at