Mein Mann, der Rock’n Wooler
Liebe Ehemänner und -frauen da draußen! Die Geschichten aus der Reihe “Das (Ehe)Leben ist kein Ponyschlecken” sind eine Liebeserklärung an Euch und Eure skurrilen Marotten. Denn es sind die Brüche in Euren Persönlichkeiten, Eure unvorhersehbaren Handlungen und manchmal auch unverständlichen Worte, die unserem Alltags(Ehe)grau Farbe verleihen. Wir lieben Euch trotzdem oder vielleicht sogar deshalb. Und umgekehrt - hoffen wir - ist es genauso.
Prolog:
Winterjacken sind was für Mädchen. Berti friert lieber männlich.
Mein Mann, der Rock’n Wooler
Lesezeit: 2 Minuten
Kennen Sie das auch? Jemand schreibt Ihnen ins Stammbuch, Sie sollen so bleiben, wie Sie sind. In sicherlich netter Absicht soll dieser Satz wohl zum Ausdruck bringen, dass man für den anderen genau SO, wie man jetzt ist, richtig ist. Innen wie außen. Dabei hat man sich im Alter von 7, 18 oder 30 schon nicht SO richtig gefühlt, wie es das Gegenüber freudestrahlend wahrgenommen hat, weder innen noch außen, und die Aussicht, auf ewig genau SO zu bleiben, hatte etwas von Vorhölle. Wobei, wenn ich’s mir recht überlege: Retrospektiv betrachtet wäre SO außen bleiben zu können gar nicht SO schlecht…
Ich bin selbstverständlich auch nicht mehr die, die ich mal war, auch wenn ich mir das mit meinem juvenilen Charakter gerne einrede. Der Verfall äußert sich zum Beispiel bei der rapide gesunkenen Alkoholverträglichkeit: Damals, jung, verliebt, am Christkindlmarkt, gab uns der Glühweinstand, den wir täglich frequentierten, nach Runde 5 den sechsten stets aus. Auf leeren Magen, nur mit ein paar Schmetterlingen im Bauch, taten dann die 1,2 Liter Alkohol ihre Wirkung, die allerdings frühmorgens auf dem Weg ins Büro wie von Zauberhand wieder verschwunden war.
Heute besuche ich aus Gründen der Folklore genau ein Mal in der Saison den hiesigen Dorfchristkindlmarkt - selbstverständlich NACH dem Abendessen - und schütte mit Todesverachtung exakt eine Einheit des billigen Fusels hinunter. Weil - und hier meine biologische Erklärung für das Phänomen - einem ab 35 eine Klappe in der Speiseröhre nachwächst, die übermäßigen Alkoholkonsum einfach physisch abriegelt, stellen Sie sich das wie bei einem Fahrstuhl mit technischem Defekt vor.
Auch an meinem stets sehr bubenhaft wirkenden Mann nagt inzwischen der Zahn der Zeit. Machten wir uns noch vor zehn Jahren Sorgen darüber, wie er, Babyface, einen 60-jährigen Vorstand glaubhaft in Fragen der Mitarbeiterführung beraten solle, hat sich dieses Problem heute, sagen wir … von allein erledigt. Tiefe Sorgenfalten im zerfurchten Gesicht, stressgebeugt im Kreuz und fehlsichtig, wird er heute auf das Alter geschätzt, das er tatsächlich hat.
Und noch etwas hat sich verändert: Damals, am Glühweinstand, trug er Rock’n Roll-mäßig Wollpulli auf nackter Haut mit sexy großem V-Ausschnitt, der das Lederband mit dem wilden Anhänger freilegte, darüber einen Wintermantel seines Großvaters (der im Gegensatz zu ihm ein stattlicher Herr gewesen sein muss), und zwar offen. Bei minus 10 Grad.
Eine Winterjacke wie auch eine Regenjacke besaß er bis vor kurzem nicht. „Brauch’ ich nicht“, war der Standardspruch, „Ich bin ja kein Mädchen“. Auch Winterstiefel fand man nicht in seinem Schuhregal, er behalf sich mit Bergschuhen.
Seit kurzem allerdings ist alles anders. Ständig drehe ich die Heizung stärker auf, weil er friert, die Zehen so kalt! Auch die Finger, „Schau Lotti“, sagt er, „Da!“, und die Stirn legt sich dabei ziehharmonikamäßig in Falten: „Schau, wie kalt!“
Weil er auf meinen Einwand, dass die plötzliche innere Kälte eventuell etwas mit der Verweigerung von Kohlenhydraten im Winter, bei 60 Stunden Wochenarbeit und extensivem Sporttraining an den Randzeiten des Tages, zu tun haben KÖNNTE, nicht reagiert, gebe ich auf. Und rate zu Tee, den er basenausgleichend literweise zu sich nimmt. Und Hauspatschen, die das empathische Christkind in Form von stylischen Lammfellboots gebracht hat. Seine Frage, ob das Christkind bei der Auswahl des Geschenkes wohl alkoholisiert gewesen wäre, ließ ich ob der Tatsache, dass er in meiner Abwesenheit STÄNDIG MEINE Lammfellpatschen trug, unbeantwortet. Auch das ungläubige Staunen beim Auspacken des Onesie (in schickem Dunkelblau) quittierte ich mit einem Lächeln.
Denn es kam der nächste Winter. Und das Herannahen meines Mannes kündigt sich seither bereits im Vorfeld an - durch das Geräusch, das schlurfendes Leder auf Holzböden macht …
Fröhliche Weihnachten & Happy anniversary, Berti! Auf die nächsten 24!
Ihr habt auch so einen Berti/Lotti/Leo zu Hause? Oder seid es selbst? Schreibt mir, gerne veröffentliche ich Eure skurrile Liebeserklärung hier in FROHLOTTE’s Alltagsperlen!
karin.holzer@sternschanze.at