Seekrank im Hochgebirge
Liebe Ehemänner und -frauen da draußen! Die Geschichten aus der Reihe “Das (Ehe)Leben ist kein Ponyschlecken” sind eine Liebeserklärung an Euch und Eure skurrilen Marotten. Denn es sind die Brüche in Euren Persönlichkeiten, Eure unvorhersehbaren Handlungen und oft auch unverständlichen Worte, die unserem Alltags(Ehe)grau Farbe verleihen. Wir lieben Euch trotzdem oder vielleicht sogar deshalb. Und umgekehrt - hoffen wir - ist es genauso.
Prolog:
Familienbedingt ist Lotti auf Bergen. Sie bekommen ihr aber nicht.
Seekrank im Hochgebirge
Lesezeit: 2 Min 30 Sek
Wie ich bereits an anderer Stelle erwähnte, habe ich es nicht so mit Bergen. Mir reicht der 190 m hohe Hügel, auf dem sich mein Geburtsort Meidling erstreckt, vollkommen aus. Von dem kann man bei ausreichender Schneelage runter rodeln, was allerdings in den letzten 30 Jahren mangels ausreichender Schneelage eine rein theoretische Freizeitgestaltung war. Aber es soll sehr schön gewesen sein, damals. Ich bin ein Weana Bazi, eine Flachländerin, die sich ausgerechnet einen Oberösterreicher mit ausgeprägtem Hang zu Fels und Eis geangelt hat.
Dabei bin ich durchaus für den Skisport zu begeistern. Ich teile die Leidenschaft mit einer Vielzahl von ÖsterreicherInnen, die sich ebenfalls vor dem Fernseher gerne so richtig verausgaben.
Meine skifahrerischen Qualitäten sind mit „ausbaufähig“ zu umschreiben, jedoch bin ich in dieser Hinsicht ehrgeizlos und überzeugt: besser wird's nimmer.
Angesichts eines bandscheibengeplagten, aber dennoch fanatischen Skigatten und eines ebensolchen Sohnes, dem Skifahren in seiner DNA festgeschrieben ist, muss ich annehmen, der liebe Gott hat viel Humor, ausgerechnet mir diese Familie zu schenken. Denn nicht nur finde ich Berge und alles, was mit ihnen zusammenhängt (raufgehen, runtergehen, rauffahren, runterfahren) sehr anstrengend, sie bekommen mir auch nicht. Das klingt jetzt komisch, ist aber genau so: Jedes Mal, also wirklich JEDES Mal, wenn ich mir die Skier anschnalle und gen Tal mäandere, wird mir irgendwann im Laufe des Tages schlecht. So schlecht, dass ich kotzen muss. Wobei - auch beim Rauffahren ist es schon passiert - in einer voll besetzten Gondel. Darauf bin ich nicht stolz.
Es überkommt mich von einer Sekunde auf die andere: Ich beginne zu schwitzen. Der Speichel verflüssigt sich, ich zittere und während ich einen lebensgefährlichen, weil für die hinter mir Wedelnden nicht vorhersehbaren, weiten Schwung zum Rand der Piste mache, presse ich meine Lippen aufeinander, um den Schnee nicht mit einer Spur von Halbverdautem zu markieren. Ich bin in einem erbarmungswürdigen Zustand, den mein Mann - der selbstverständlich bereits behände vorgewedelt ist -mit einem Kopfschütteln und den Worten „Na, du bist echt ein Psycherl“ quittiert. Böse Zungen behaupten, unsere Skiurlaube wären nur deshalb so teuer, weil die psychisch labile Gattin unbedingt direkt an der Piste wohnen möchte. Nicht möchte, entgegne ich mit dem Zorn der Unverstandenen, MUSS! Denn nach einer solch gemeinen Kotzattacke muss ich umgehend ein Hotelbett aufsuchen und schlafen. Als unser Sohn noch kleiner war, wollte er in diesen Fällen mit mir zurück ins Hotel. Also schlief ich nicht im Bett, sondern bahrte mich reglos im völlig überheizten Schwimmbad auf, um Leo vor dem Ertrinken zu bewahren. Und mich vor übler Nachrede.
Sie verstehen vielleicht jetzt besser, warum Skiurlaub für mich bisher mit einem gewissen Gefühl des Unbehagens verknüpft war. Im Lauf der Jahre wurde es nicht besser, im Gegenteil. Mit zunehmender Höhe (manche meinen auch Alter, aber das hat damit überhaupt nichts zu tun) stiegen auch meine Beschwerden, was in fünf Tagen Dauerkotzbereitschaft im Südtiroler Nobelhotel endete. Wir waren sieben Tage da.
Nun endlich outete ich mich, gab zu, was mich zum absoluten Ski-Loser abstempelte, und siehe da: Ich war nicht allein. Plötzlich erzählten mir Bekannte davon, dass es ihnen auch so erginge oder dass sie zumindest jemanden kannten, der jemanden kannte … . Der Symptomatik läge angeblich eine Krankheit zugrunde, die - halten Sie sich fest - als Skikrankheit diagnostiziert wird. Sie tritt nicht nur bei schlechter Sicht und damit einhergehendem Schwindelgefühl auf, auch bei strahlendem Sonnenschein ist man gefährdet. Impfung gibt es (noch) keine und auch das eine, das heilbringende Medikament ist noch nicht erfunden, aber das wird schon. In der Zwischenzeit behelfe ich mich mit einer Wagenladung Reisekaugummis.
Was soll ich Ihnen sagen: Mir ist nicht mehr schlecht. Echt nicht. Ich könnte nun also den Skiurlaub in vollen Zügen genießen. Es bleibt beim Konjunktiv, weil man den Beipackzettel beachten sollte: Als Nebenwirkung wird man nämlich müde. Sehr müde. Aber ich bin zufrieden: Statt fünftägigem Speibalarm musste ich nun fünf Tage schlafen. Am Tag vor der Abreise war ich wieder topfit. Ich schlug daraufhin vor, im nächsten Jahr einfach eine Woche früher zwecks Akklimatisation im 1.700m hohen Luxus-Basislager einzuchecken. Die Antwort auf den Vorschlag war vorhersehbar, jedoch für eine Patientin mit Skikrankheit wenig empathisch. Ich erwäge die Gründung einer Selbsthilfegruppe. Vielleicht bezahlt mir ja die SVA auch meine vorzeitige Anreise. Vielleicht aber auch nicht.
Ihr habt auch so einen Berti/Lotti/Leo zu Hause? Oder seid es selbst? Schreibt mir, gerne veröffentliche ich Eure skurrile Liebeserklärung hier in FROHLOTTE’s Alltagsperlen!
karin.holzer@sternschanze.at